Einleitung: Warum wir über diese Verbindung sprechen müssen
Schizophrenie, Angststörungen und PTBS – drei Begriffe, die in unserer Gesellschaft oft Angst auslösen.
Nicht nur bei Betroffenen, sondern auch bei denen, die diese Krankheitsbilder nicht verstehen (können).
In Gesprächen, Medien und sogar im Gesundheitswesen wird leider oft vermischt, verwechselt oder verallgemeinert.
Ein Mensch mit Flashbacks wird als „psychotisch“ beschrieben.
Jemand mit innerer Unruhe oder Dissoziation landet in der Schublade „verrückt“.
Und wer Stimmen hört, hat „bestimmt ein Trauma“ – oder?
Solche Fehleinschätzungen sind nicht nur falsch, sondern gefährlich.
Sie führen zu Stigmatisierung, falschen Diagnosen – und dazu, dass Menschen sich nicht mehr trauen, Hilfe zu suchen.
👉 Deshalb ist Aufklärung so wichtig.
Dieser Beitrag soll dabei helfen, die Unterschiede zwischen PTBS, Angststörungen und Schizophrenie besser zu verstehen.
Aber auch mögliche Zusammenhänge aufzuzeigen – denn ja, es gibt Überschneidungen.
Und nein, es ist nicht „alles dasselbe“.
Besonders im Bereich von Trauma und seinen psychischen Folgen braucht es eine neue Sprache. Eine Sprache, die:
- differenziert
- nicht bewertet
- und Menschen eine Stimme gibt, statt sie zu etikettieren.
Dieser Artikel richtet sich an:
- Betroffene, die sich selbst besser verstehen wollen
- Angehörige, die begleiten, ohne zu verurteilen
- und alle, die sich für eine ehrliche, entstigmatisierende Aufklärung interessieren
Denn eines ist klar:
Verstehen ist der erste Schritt zur Veränderung – auch im Denken über psychische Erkrankungen.
Was ist eine PTBS – und wie unterscheidet sie sich von Angststörungen & Schizophrenie?
Um die Verbindung – aber auch die Unterschiede – zwischen PTBS, Angststörung und Schizophrenie zu verstehen, ist ein klarer Blick auf die Definitionen entscheidend.
🧠 PTBS – Posttraumatische Belastungsstörung
PTBS ist eine psychische Reaktion auf ein oder mehrere extrem belastende Ereignisse, bei denen sich die betroffene Person hilflos, ausgeliefert oder bedroht gefühlt hat.
Typische Auslöser sind:
- Gewalterfahrungen
- schwere Unfälle
- Kriegserlebnisse
- sexueller Missbrauch
- emotionale oder körperliche Vernachlässigung in der Kindheit
Kernsymptome einer PTBS:
- Flashbacks (Wiedererleben des Traumas)
- Albträume, Schlafstörungen
- Vermeidung bestimmter Situationen oder Orte
- Übererregung (ständige Anspannung, Reizbarkeit)
- Dissoziation (Gefühl der Abspaltung vom eigenen Erleben)
- Gefühl von Entfremdung oder emotionaler Taubheit
⚠️ Angststörungen
Angststörungen umfassen eine Gruppe von psychischen Erkrankungen, bei denen übermäßige Angst oder Furcht im Vordergrund steht – unabhängig von realer Bedrohung.
Sie treten häufig ohne konkreten Auslöser auf und sind oft chronisch.
Typische Formen:
- Generalisierte Angststörung
- Panikstörung
- Soziale Phobie
- Agoraphobie
Wichtig: Angst ist auch bei PTBS ein Symptom – aber bei Angststörungen steht sie isoliert im Mittelpunkt, ohne dass zwingend ein Trauma vorausgegangen sein muss.
🌀 Schizophrenie
Schizophrenie ist eine schwere psychische Erkrankung, bei der das Denken, Fühlen und Wahrnehmen tiefgreifend verändert sein kann.
Sie wird oft fälschlich mit „gespaltener Persönlichkeit“ gleichgesetzt – das ist nicht korrekt.
Typische Symptome:
- Halluzinationen (z. B. Stimmen hören)
- Wahnvorstellungen (z. B. Verfolgungswahn)
- Desorganisiertes Denken und Sprechen
- Rückzug, Antriebslosigkeit, emotionale Abflachung
Die Ursachen von Schizophrenie sind komplex – genetische, neurobiologische und psychosoziale Faktoren spielen eine Rolle. Trauma kann ein Risikofaktor sein, ist aber nicht die alleinige Ursache.
🔍 Fazit dieses Abschnitts:
| Erkrankung | Hauptmerkmale | Typischer Auslöser |
|---|---|---|
| PTBS | Trauma-Folgestörung, Flashbacks, Vermeidung | Schwere Belastungssituation |
| Angststörung | Übermäßige Angst, oft ohne realen Auslöser | Stress, genetische Veranlagung |
| Schizophrenie | Psychosen, Halluzinationen, Denkstörungen | Multifaktoriell, evtl. Trauma |
Angststörung & Trauma – Wenn Angst das Leben bestimmt
Angst gehört zum menschlichen Leben.
Sie schützt uns, warnt uns und hilft, auf Gefahren zu reagieren.
Doch bei einer Angststörung wird aus einem natürlichen Warnsystem ein Daueralarm, der Körper und Geist stark belastet.
🧩 Wenn Angst und Trauma sich überschneiden
Viele Menschen, die an einer Angststörung leiden, haben auch eine traumatische Erfahrung gemacht – oft ohne es zu wissen.
Denn chronischer Stress, emotionaler Missbrauch, frühe Verlustängste oder das Leben in unsicheren Familienverhältnissen können sich tief im Nervensystem einprägen – auch wenn kein „klassisches Trauma“ vorliegt.
👉 Besonders bei Menschen mit Komplexer PTBS (KPTBS) treten häufig Angstsymptome auf:
- ständige innere Unruhe
- Panikattacken
- Gefühl der Bedrohung ohne erkennbaren Auslöser
- Vermeidungsverhalten
- Schlaflosigkeit, Gedankenkreisen
Hier verschwimmen die Grenzen:
Handelt es sich um eine Angststörung mit traumatischem Ursprung – oder um eine PTBS mit starken Angstanteilen?
Die Antwort ist: Beides ist möglich. Und beides braucht einen differenzierten Blick.
📌 Wichtig zu wissen:
- Nicht jede Angststörung ist traumabedingt.
- Aber: Trauma kann Angststörungen auslösen oder verstärken.
- Eine sorgfältige Diagnostik ist entscheidend – nur so kann passende Hilfe gefunden werden.
💬 Stimmen aus der Praxis:
„Ich dachte immer, ich hätte einfach Angst vor Menschen. Erst in der Therapie wurde mir klar, dass mein Körper auf alte Gefahrensignale reagiert – aus einer Zeit, die ich verdrängt hatte.“
– Anna, 34
💡 Selbstfürsorge-Tipp:
Achte auf deine körperlichen Reaktionen. Wenn du z. B. bei bestimmten Orten, Stimmen oder Situationen unverhältnismäßige Angst verspürst, kann das ein Hinweis auf unverarbeitete Erlebnisse sein.
Sprich mit einer erfahrenen Fachperson darüber – du bist nicht allein damit.
Schizophrenie & Trauma – Gibt es einen Zusammenhang?
Das Thema Schizophrenie ist nach wie vor mit vielen Vorurteilen behaftet:
„Unberechenbar, gefährlich, unheilbar“ – diese Bilder prägen unsere Gesellschaft oft mehr als echte Informationen.
Dabei ist die Realität deutlich komplexer – und vor allem menschlicher.
Immer wieder wird diskutiert, ob traumatische Erlebnisse die Entwicklung einer Schizophrenie beeinflussen können.
Die Forschung zeigt: Ja, es gibt einen Zusammenhang – aber er ist nicht eindeutig kausal.
🧬 Was wir bisher wissen:
- Schizophrenie hat biologische Grundlagen: genetische Veranlagung, neurochemische Ungleichgewichte (z. B. Dopamin), Hirnentwicklungsstörungen.
- Psychosoziale Faktoren, wie belastende Kindheitserfahrungen, instabile Bindungen, Vernachlässigung oder Gewalt können Risikofaktoren sein – insbesondere bei Menschen mit entsprechender genetischer Veranlagung.
- Traumatische Erlebnisse in Kindheit und Jugend erhöhen nachweislich die Wahrscheinlichkeit, dass eine psychotische Erkrankung ausbricht – aber sie sind nicht die alleinige Ursache.
🔄 Überschneidungen mit PTBS:
Manche Symptome von PTBS und Schizophrenie sehen sich oberflächlich ähnlich, z. B.:
| PTBS-Symptom | Verwechslungsgefahr mit … |
|---|---|
| Flashbacks | Halluzinationen |
| Dissoziation | Realitätsverlust |
| Vermeidungsverhalten | sozialer Rückzug |
| Misstrauen nach Trauma | paranoide Gedanken (Wahn) |
👉 Aber: Die innere Struktur der Erkrankung, ihre Ursachen und ihre Behandlungswege sind unterschiedlich.
⚠️ Warum das wichtig ist:
Menschen mit PTBS werden nicht selten falsch diagnostiziert – z. B. mit Schizophrenie, wenn Flashbacks oder dissoziative Symptome falsch interpretiert werden.
Das kann gravierende Folgen haben:
- falsche Medikation
- unnötige Klinikaufenthalte
- tiefe Verunsicherung
- verstärkte Stigmatisierung
Daher braucht es in der Diagnostik unbedingt traumasensibles Fachwissen – und ein offenes Ohr für das, was Betroffene selbst über ihr Erleben berichten.
💬 Fazit dieses Abschnitts:
Trauma kann psychotische Symptome begünstigen, ist aber nicht automatisch gleichbedeutend mit Schizophrenie.
Wichtig ist eine achtsame Differenzierung – zum Wohl der Betroffenen und ihrer Zukunft.
Warum eine Fehldiagnose gefährlich sein kann
Psychische Erkrankungen sind nicht sichtbar wie ein gebrochener Arm.
Sie zeigen sich in Verhalten, Empfinden, Wahrnehmung – und oft in sehr ähnlichen Symptomen.
Deshalb ist es umso wichtiger, differenziert und traumasensibel zu diagnostizieren.
Denn eine Fehldiagnose ist mehr als ein medizinischer Irrtum – sie kann existenziell verletzen.
🚨 Häufige Folgen von Fehldiagnosen:
- Falsche Therapieansätze
Wer mit PTBS als „schizophren“ eingestuft wird, bekommt häufig Neuroleptika statt Traumatherapie. Das kann die Symptome überdecken – aber nicht heilen. - Verlust von Selbstvertrauen
Eine Diagnose wirkt wie ein Stempel.
Wenn dieser nicht passt, fühlen sich Betroffene oft fremdbestimmt, falsch verstanden und ausgeliefert. - Verschärfung von Symptomen
Die Behandlung kann Ängste verstärken, Rückzug fördern oder ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit hervorrufen. - Stigmatisierung durch die Umwelt
Eine Schizophrenie-Diagnose löst in der Gesellschaft oft deutlich mehr Ablehnung aus als z. B. eine Angststörung oder PTBS – obwohl alle Erkrankungen Unterstützung verdienen.
📉 Warum es so häufig passiert:
- Trauma-Symptome werden nicht immer offen benannt – viele Betroffene schweigen aus Scham oder Angst.
- Nicht alle Fachkräfte sind auf Traumafolgestörungen spezialisiert.
- In Krisensituationen wird oft schnell und pragmatisch gehandelt – mitunter auf Kosten der Tiefe.
🧩 Was hilft?
- Eine traumasensible Anamnese, die nicht nur nach Diagnosekriterien fragt, sondern auch nach Lebensgeschichte.
- Zuhören statt vorschnell interpretieren – und das Erleben der Betroffenen ernst nehmen.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Psychiatrie, Psychotherapie und Trauma-Expert*innen.
💬 Stimme einer Betroffenen:
„Erst nach Jahren in der falschen Behandlung wurde erkannt, dass ich keine Psychose habe – sondern eine komplexe PTBS. Danach begann zum ersten Mal echte Heilung.“
– Marlene, 38
Stigmatisierung vs. Realität – Was Betroffene wirklich erleben
Ob PTBS, Angststörung oder Schizophrenie – jede psychische Erkrankung ist mit individuellen Herausforderungen verbunden.
Doch was oft am meisten verletzt, sind nicht die Symptome – sondern die Reaktionen der Umwelt.
Stigmatisierung ist für viele Betroffene ein unsichtbares zweites Trauma.
🧱 Vorurteile, die Betroffene belasten:
- „Wer Stimmen hört, ist gefährlich.“
- „Menschen mit PTBS übertreiben – das ist doch längst vorbei.“
- „Angststörungen? Die sollen sich mal zusammenreißen.“
Diese Aussagen zeigen, wie tief Unwissen und Angst in der Gesellschaft verwurzelt sind.
Sie verhindern offene Gespräche, machen Betroffene sprachlos – und fördern Scham statt Verständnis.
💬 Was Betroffene wirklich erleben:
- Verunsicherung im Job („Soll ich meine Diagnose lieber verschweigen?“)
- soziale Isolation („Meine Freunde verstehen mich nicht mehr.“)
- innerer Rückzug („Ich fühle mich falsch – selbst bei denen, die mir nahestehen.“)
- Unsicherheit bei der Hilfe-Suche („Werde ich ernst genommen oder abgestempelt?“)
🔄 Besonders kritisch: Stigma innerhalb des Gesundheitssystems
Auch in der medizinisch-therapeutischen Welt erleben viele Betroffene:
- Bagatellisierung ihrer Symptome
- das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden
- standardisierte Diagnosen ohne Einblick in ihre Geschichte
Ein Mensch mit einer komplexen PTBS wird zu oft als „schwierig“, „unstrukturiert“ oder „nicht therapiefähig“ abgestempelt – obwohl er eigentlich Schutz, Verständnis und spezialisierte Hilfe braucht.
💡 Was hilft?
- Offene Sprache: Nicht jeder Rückzug ist „ungepflegt“, nicht jede Überforderung „faul“.
- Bildung & Aufklärung: Wissen verändert Blickwinkel – bei Laien und Profis.
- Mehr Sichtbarkeit von Betroffenen-Stimmen: z. B. in Podcasts, Blogs oder sozialen Medien
🤝 Unsere Vision bei Get up – der Talk:
Wir wollen Menschen mit ihren Geschichten in den Mittelpunkt rücken – und Räume schaffen, in denen nicht nur Diagnosen zählen, sondern Menschlichkeit, Tiefe und echtes Zuhören.
Heilung braucht Differenzierung – Warum Aufklärung so wichtig ist
In einer Welt, die oft nach schnellen Erklärungen und eindeutigen Diagnosen sucht, ist Differenzierung ein Akt der Fürsorge.
Denn psychische Erkrankungen lassen sich nicht in einfache Schubladen packen – schon gar nicht, wenn es um Trauma, Angst und Psychose geht.
🧠 Warum differenzieren?
- Weil eine PTBS nicht gleich eine Angststörung ist.
- Weil Angst nicht gleich Panik ist.
- Und weil psychotische Symptome nicht automatisch Schizophrenie bedeuten.
Menschen sind individuell – ihre Erfahrungen, ihr Leid, ihre Ressourcen.
Deshalb braucht es auch individuelle Zugänge zu Verständnis, Therapie und Sprache.
📘 Wissen als Grundlage für Heilung
Viele Betroffene erleben echte Fortschritte erst dann, wenn sie sich – oder ihre Diagnose – besser verstehen.
Wissen stärkt das Selbstvertrauen:
- „Ich bin nicht allein.“
- „Ich bilde mir das nicht ein.“
- „Es gibt einen Weg – auch für mich.“
Auch Angehörige, Therapeutinnen und Ärztinnen profitieren von differenziertem Wissen.
Denn es hilft, empathischer, klarer und gezielter zu unterstützen.
💬 Missverständnisse verhindern Hilfe
Wer PTBS für „nur eine Phase“ hält, wer Schizophrenie mit „mehrfacher Persönlichkeit“ verwechselt oder Angst als „Schwäche“ deutet, verhindert oft genau das, was Betroffene so dringend brauchen:
Verständnis, Zeit, Unterstützung – ohne Scham.
💡 Unser Ziel bei Get up – der Talk:
Wir möchten nicht nur informieren – wir wollen echte Veränderung im Denken anstoßen.
Denn je mehr Menschen verstehen, desto mehr Menschen können auch verstanden werden.
Fazit: Mehr Verständnis. Weniger Stigma. Mehr Stimme für Betroffene.
Die Verbindung zwischen PTBS, Angststörungen und Schizophrenie ist nicht leicht zu greifen – aber wichtig zu verstehen.
Denn gerade dort, wo Symptome sich ähneln, braucht es keine schnellen Urteile, sondern achtsame Differenzierung.
Dieser Beitrag soll Mut machen:
- für Betroffene, ihre Erfahrungen ernst zu nehmen
- für Angehörige, nicht vorschnell zu bewerten
- und für Fachkräfte, genauer hinzusehen und hinzuhören
Denn wer weiß, worauf er achtet, kann Fehldiagnosen vermeiden, Stigmata abbauen und Heilung ermöglichen.
💡 Es ist Zeit, psychische Erkrankungen nicht gegeneinander abzugrenzen, sondern sie im Kontext des Lebens zu betrachten.
Menschen mit Schizophrenie, Menschen mit PTBS, mit Angst – sie alle haben eines gemeinsam:
Den Wunsch, gesehen und verstanden zu werden.
🎙️ In unserer Podcaststaffel „PTBS“ von Get up – der Talk sprechen wir jeden Freitag ab 19 Uhr über PTBS – auf Augenhöhe, offen und einfühlsam.
Wir teilen Erfahrungen, lassen Betroffene und Expert*innen zu Wort kommen – und schaffen Raum für das, was oft unsichtbar bleibt. Folge am 05.12.2025 – PTBS – Schizophrenie und Angststörung
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💬 Denn Trauma braucht keine Stille. Es braucht Stimmen.
Und vielleicht ist deine eine davon.